Hannes Jaenicke hält in Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche: Warum wir dringend Helden brauchen ein leidenschaftliches Plädoyer gegen Mitläufertum und Bequemlichkeit. Er fordert mehr Zivilcourage, Haltung und Alltagsheldentum – von der Umwelt über Politik bis zum Konsum. Das Buch ist pointiert, wütend, manchmal holzschnittartig, aber energiereich und motivierend. Lesenswert für alle, die Inspiration und einen Tritt in den Allerwertesten suchen, um selbst aktiv zu werden.
Worum es Jaenicke grundsätzlich geht
Jaenickes Kernthese ist simpel und unbequem: Unsere Gesellschaft leidet weniger an mangelndem Wissen als an mangelndem Mut. Wir schwimmen mit dem Strom, konsumieren kritiklos, lagern Verantwortung an „die Politik“, „die Wirtschaft“ oder „die Medien“ aus – und wundern uns, wenn sich wenig verändert. Dem setzt er den Ruf nach Helden entgegen: Menschen, die nicht nur reden, sondern handeln. Heldenhaft meint dabei nicht Pathos oder Cape, sondern Zivilcourage im Alltag – laut werden, wenn’s unangenehm ist, Entscheidungen treffen, die etwas kosten, und dem Herdentrieb widerstehen.
Autor & Haltung: Warum dieser Ton?
Hannes Jaenicke ist Schauspieler, Dokumentarfilmer und Aktivist – bekannt für klare Kante in Umwelt- und Tierschutzfragen. Diese Biografie prägt den Sound des Buches: direkt, polemisch, mit vielen Beispielen aus Recherchen, Set-Erfahrungen und Begegnungen mit Aktivistinnen, Wissenschaftlern und Whistleblowern. Wer nüchterne Sozialanalyse erwartet, bekommt eher eine Kampfansage – samt Witz und Wut. Die Stärke: Es bleibt nicht bei Appellen; Jaenicke liefert zahlreiche Ansatzpunkte, wie man selbst wirksam wird.
Aufbau & Themenfelder (in Klartext)
Auch wenn die Kapitel thematisch springen, lassen sich fünf Leitmotive herausarbeiten:
Herdentrieb & Bequemlichkeit
Psychologisch nachvollziehbar, gesellschaftlich fatal: Wir orientieren uns an Mehrheiten, Likes und Gewohnheiten. Jaenicke zerlegt typische Ausreden – „Ich allein kann ja doch nichts ändern“, „Die sollen erst mal…“ – und zeigt, wie sie als Alibi für Passivität dienen.Alltagshelden statt Superstar-Kult
Helden sind keine Ikonen auf Podesten, sondern Menschen, die lokal handeln: Lehrkräfte, Ärztinnen, Kommunalpolitiker, Ehrenamtliche, Whistleblower. Jaenicke erzählt von solchen Figuren, um zu beweisen: Vorbild wirkt ansteckend.Medien- und Konsumkritik
Informationsüberfluss betäubt. Skandale rauschen durch die Timeline, ohne Konsequenzen. Jaenicke fordert mediale Diät: Quellen prüfen, Schein-Debatten ignorieren, lieber Abos für Qualitätsjournalismus als doomscrolling.Ökologie & Verantwortung
Ein Jaenicke-Kernthema: Klima, Artensterben, Massentierhaltung, Plastik. Der rote Faden: Politik braucht Druck, aber Verbraucherentscheidungen sind Hebel – weniger Fleisch, bewusster reisen, regionaler einkaufen, Müll vermeiden, nachhaltige Marken bevorzugen.Mut zur Kontroverse
Wer Haltung zeigt, eckt an. Jaenicke ruft dazu auf, Widerspruch auszuhalten, sachlich zu bleiben und Rückenwind zu organisieren – durch Netzwerke, Vereine, Initiativen. Mut ist erlernbar; unbequeme Gespräche sind Trainingsfelder.
Stil & Sprache: Punchline statt Proseminar
Das Buch liest sich wie eine Mischung aus Essay, Pamphlet und Reportage. Der Autor arbeitet mit Anekdoten, Zuspitzung, Wiederholung, um Dringlichkeit zu erzeugen. Das macht Laune – und Druck. Kritikpunkt: Manchmal geraten Grautöne unter die Räder. Strukturelle Probleme lassen sich nicht immer auf Willensschwäche reduzieren. Wer Differenzierung sucht, wird die Schwarz-Weiß-Momente bemerken. Wer Motivation sucht, wird den Drive lieben.
Was bleibt hängen? Die wichtigsten Gedanken in 9 Punkten
Haltung > Hashtag: Moralische Empörung online ersetzt keine Aktion offline.
Kleine Schritte zählen: Von Bankwechsel über Ökostrom bis Vereinsarbeit – Hebelwirkung entsteht kumulativ.
Kompetent streiten: Fakten, Respekt, Klartext. Keine Ironiemauer, keine Abwertung.
Vorbildfunktion: Sichtbares Tun inspiriert – im Freundeskreis, im Betrieb, in der Nachbarschaft.
Zeit ist Währung: Regelmäßige, kleine Engagement-Zeitslots sind nachhaltiger als seltene Kraftakte.
Lokalpolitik wirkt: Kommunale Entscheidungen prägen Alltag und Klima-Bilanz spürbar.
Konsum ist Stimmzettel: Jede Kaufentscheidung ist ein Mikro-Referendum.
Medienhygiene: Weniger Scrollen, mehr gezielte Recherche.
Fehlerfreundlichkeit: Aktivismus braucht Iterationen, nicht Perfektion.
Praxis-Impuls: 30 Tage gegen den Herdentrieb (ein Mini-Programm)
Woche 1 – Inventur & Medienhygiene
Newsletter ausmisten, seriöse Quellen abonnieren, 2 Social-Apps stummschalten.Woche 2 – Konsum & Finanzen
Konto/Depot nach Nachhaltigkeitskriterien prüfen, Stromanbieter wechseln, wöchentliche Fleisch- oder Flugkilometer bewusst reduzieren.Woche 3 – Engagement
Eine lokale Initiative besuchen (Umwelt, Bildung, Soziales), Mitglied werden oder probemitmachen.Woche 4 – Multiplikation
Ein Thema öffentlich machen: Leserbrief, Gemeinderatssitzung, Schulprojekt, Firmen-Workshop. Ein Verbündeter pro Woche.
Kritik & blinde Flecken
Komplexität vs. Kante: Jaenickes klare Ansagen motivieren, aber systemische Bremsklötze (Gesetzgebung, globale Lieferketten, Lobbystrukturen) kommen teils zu kurz.
Heldenbegriff: „Held“ kann elitär klingen. Stärker betont werden könnte die Idee von kollektiven Held:innen – Teams, die Strukturen ändern.
Datenbasis: Einige Passagen arbeiten erzählerisch statt datengetrieben. Wer harte Zahlen liebt, wünscht sich mehr Quellenapparate.
Trotzdem: Die Netto-Wirkung ist positiv. Das Buch entdramatisiert Aktivismus und übersetzt ihn in alltagstaugliche Schritte.
Für wen eignet sich das Buch?
Einsteiger:innen in Engagement & Aktivismus, die Motivation und konkrete Ansatzpunkte suchen.
Müde Mitläufer (ehrlich, wir alle mal), die einen Perspektivwechsel brauchen.
Lehrkräfte, Teamleads, Eltern, die Vorbildrollen reflektieren.
Diskussionsfreudige Lesekreise, die Lust auf Reibung haben.
Wen es weniger abholt: Leser:innen, die akademische Tiefe, umfassende Statistiken und nüchternen Ton bevorzugen.
Zentrale Zitate – sinngemäß zusammengefasst
Mut beginnt, wo Bequemlichkeit endet.
Nicht jede:r kann alles, aber jede:r kann etwas – jeden Tag.
Haltung wird erst sichtbar, wenn sie etwas kostet.
(Anmerkung: sinngemäße Paraphrasen, keine wörtlichen Zitate.)
Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche ist ein Weckruf. Jaenicke schreibt so, dass man das Buch schwer weglegt, ohne irgendeine Sache sofort zu verändern – Abo kündigen, Verein beitreten, Einkaufsliste umstellen, Beschwerde schreiben, Nachbarin ansprechen. Nicht jede Zuspitzung trägt wissenschaftlich; als Motivationsbooster funktioniert das Buch hervorragend. Wenn wir die Energie des Textes mit strukturellem Denken und kollektiver Organisation verbinden, entsteht genau das, was Jaenicke fordert: mehr gelebter Mut.
10 mitnehmbare Handlungsimpulse
Ein realistisches Jahresthema wählen (z. B. Mobilität, Ernährung, Energie).
Strom-/Bankwechsel terminieren.
Ehrenamt-Schnupperabend in der Region besuchen.
Wöchentlich eine unbequeme Mail schreiben (Behörde, Firma, Redaktion).
Ein Konsumprodukt dauerhaft ersetzen (z. B. Leitungswasser statt PET).
Mobilitätsmix testen (Rad/ÖPNV + Carsharing).
Politische Termine checken: Gemeinderat, Bürgerbeteiligung, Sprechstunden.
Medienration festlegen (z. B. 20 Minuten morgens, 20 Minuten abends, gezielt).
Mitstreiter:innen suchen – zu zweit ist Durchhalten einfacher.
Erfolge sichtbar machen (Team, Familie, Social – ohne Selbstbeweihräucherung).
Weiterführende Fragen für Lesekreise oder den eigenen Notizrand
Wo folge ich der Herde – und warum?
Welche Kosten bin ich bereit zu tragen (Zeit, Geld, Komfort)?
Welche zwei Gewohnheiten ändere ich in den nächsten 30 Tagen?
Welche lokale Struktur (Initiative, Ausschuss, Verein) passt zu mir?
Ein kraftvoller, manchmal ruppiger Aufruf zum Handeln. Perfekt, um vom Kopfnicken ins Machen zu kommen.
Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche
Warum wir wieder Helden brauchen
Du kennst das Gefühl vielleicht: Man steht in einer Warteschlange, im Supermarkt oder am Flughafen, und irgendwie läuft alles nach Schema F. Keiner sagt was, keiner denkt groß nach, alle funktionieren. Deutschland, das Land der Formularwesen, Sicherheitsverordnungen und DIN-Normen, scheint oft so eingerichtet, dass Eigenwilligkeit, Kreativität und Mut zur Abweichung zur Gefahr erklärt werden. Wer anders denkt, stört den Ablauf. Wer laut wird, gilt als unbequem. Wer quer denkt – im ursprünglichen Sinne, nicht im politisch missbrauchten – bekommt schnell den Stempel „Spinner“.
Doch ohne diese Spinner, diese unbequemen, eigensinnigen Geister, hätten wir keine gesellschaftliche Bewegung, keine Innovation, keine Kunst und keine Wissenschaft. Ohne sie gäbe es keine Greta Thunberg, die als Schülerin vor dem schwedischen Parlament saß und eine globale Bewegung auslöste. Keine Luisa Neubauer, die mit unerschütterlicher Geduld den Politikern dieser Welt erklärt, dass die Uhr tickt. Keine Ärztinnen, die mitten in der Pandemie in der Notaufnahme Entscheidungen treffen mussten, während andere über Maskenpflicht debattierten. Und keine namenlosen Helden, die Tag für Tag in ihren stillen Jobs Haltung zeigen.
Wir leben in einer Zeit, in der Anpassung einfacher ist denn je. Die sozialen Medien belohnen Zustimmung, nicht Widerspruch. Der Algorithmus sortiert dir vor, was du denkst, was du magst, was du fühlst – und sorgt dafür, dass du dich nie zu weit von der Herde entfernst. Doch genau hier liegt das Problem: Wenn alle dieselben Ideen liken, dieselben Witze teilen, dieselben Meinungen vertreten, dann entsteht Stillstand. Und Stillstand ist der Feind jeder Gesellschaft, die sich entwickeln will.
Der Mut, anders zu sein
Hannes Jaenicke schreibt in seinem Buch über Eigensinnige, über Querdenker im besten Sinne – über Menschen, die sich nicht mit dem Mittelmaß abfinden. Und er hat Recht: Mut beginnt dort, wo du gegen den Strom schwimmst, wo du dich traust, „Nein“ zu sagen, obwohl alle „Ja“ schreien.
Wir leben in einem Land, in dem man sich kaum traut, laut zu träumen. Du willst ein Start-up gründen? Viel Spaß mit Formularen, Paragraphen, Haftungsklauseln und Bedenkenträgern. Du willst ein alternatives Erziehungsmodell leben, vielleicht eine Schule ohne Noten oder Leistungsdruck? Dann lern die Behörden kennen. Alles, was aus der Norm fällt, wird nicht zuerst geprüft, sondern bekämpft.
Dabei sind es genau die Menschen mit Rückgrat, die Dinge verändern. Menschen, die unbequem bleiben, auch wenn’s weh tut. Sie machen Fehler, ja. Aber sie handeln.
Helden des Alltags
Jaenicke erzählt in seinem Buch von seinen persönlichen Helden – Menschen, die nicht auf Titelblättern stehen, aber Großes tun. David, der Fahrer aus Goma, ist so ein Held. Einer, der nichts hat außer Mut und Zuversicht. Seine Geschichte wirkt wie ein Schlag ins Gesicht für unsere westliche Bequemlichkeit. Während wir uns über Bahnverspätungen, WLAN-Probleme oder Bürokratie ärgern, lebt David in einem Land, in dem jeden Tag alles auf dem Spiel steht – und lacht trotzdem. Er glaubt an die Zukunft, weil er sich entschieden hat, an sie zu glauben.
Solche Geschichten sind kein exotischer Fernblick auf das Elend der Welt. Sie sind Erinnerung daran, dass Haltung nichts mit Reichtum, Bildung oder Status zu tun hat. Haltung ist eine Entscheidung. Du kannst sie treffen, jeden Tag.
Vielleicht kennst du auch jemanden wie Markus Strobel – den stillen Profi, der einfach tut, was getan werden muss, ohne Drama, ohne große Worte. Oder jemanden wie Jane Goodall, die mit über achtzig Jahren immer noch die Welt bereist, Vorträge hält und zeigt, was Konsequenz bedeutet. Ein halb geleertes Zuckertütchen wird nicht weggeschmissen, sondern aufbewahrt. Weil Nachhaltigkeit nicht in großen Gesten liegt, sondern in den kleinen, unscheinbaren Handlungen, die sich summieren.
Haltung statt Hashtag
Unsere Zeit liebt Schlagworte. „Awareness“, „Diversity“, „Sustainability“ – groß geschrieben, hübsch verpackt und oft leer gelebt. Haltung aber zeigt sich nicht in Worten, sondern im Tun. Es ist leicht, auf Instagram den Planeten zu retten. Schwerer ist es, wirklich etwas zu verändern: sein Verhalten, seine Gewohnheiten, seine Bequemlichkeit.
Jaenicke fordert uns auf, den Mut zur Unbequemlichkeit wiederzufinden. Er meint damit nicht, laut zu werden um des Lautseins willen. Er meint, ehrlich zu sich selbst zu sein, auch wenn es weh tut. Wenn du siehst, dass etwas falsch läuft – sag es. Wenn du spürst, dass du mit einer Entscheidung nicht leben kannst – steh dazu.
Gerade jetzt, in einer Zeit, in der Demokratie weltweit unter Druck steht, in der Populismus, Fake News und Gleichgültigkeit um die Vorherrschaft kämpfen, braucht es Helden mit Rückgrat. Menschen, die nicht auf Likes warten, sondern aufstehen, weil sie wissen: Wenn du nichts sagst, sagst du auch etwas – nämlich Zustimmung durch Schweigen.
Der stille Held in dir
Vielleicht glaubst du, du kannst nichts bewirken. Du bist keine Wissenschaftlerin, kein Politiker, keine Berühmtheit. Aber das stimmt nicht. Helden sind selten geboren, sie entstehen – aus Haltung, aus Entschlossenheit, aus der Entscheidung, nicht einfach mitzulaufen.
Es beginnt im Kleinen: Wenn du dich weigerst, über andere herzuziehen, nur weil es gerade alle tun. Wenn du deiner Meinung treu bleibst, auch wenn sie unpopulär ist. Wenn du dich traust, neue Wege zu gehen, anstatt nur die ausgetretenen Pfade zu benutzen.
Echte Helden wollen keine Bewunderung. Sie wollen keine Likes, keine Schlagzeilen. Sie wollen einfach ihr Ding machen – das, woran sie glauben, so gut sie können. Und vielleicht ist das die wichtigste Botschaft in Jaenickes Buch: Dass Heldentum nichts mit Größe zu tun hat, sondern mit Tiefe.
Vergiss deine Angst
Wenn du der Herde folgst, siehst du nur, was vor dir ist – die Rücken der anderen. Du siehst nicht, wohin du wirklich willst. Vielleicht ist jetzt der Moment, stehenzubleiben, dich umzudrehen und deinen eigenen Weg zu gehen. Nicht, weil du besser bist. Sondern weil du lebst.
Jaenickes Aufruf „Vergesst eure Angst!“ ist heute aktueller denn je. Zwischen Krisen, Kriegen, Klimakatastrophen und digitaler Reizüberflutung braucht es Menschen, die sich nicht einschüchtern lassen. Menschen, die sagen: „Ich mach das trotzdem.“
Vielleicht ist genau das die Definition von Mut: Nicht ohne Angst zu handeln, sondern trotz Angst.
Und wer weiß – vielleicht bist du ja schon längst einer dieser Helden. Du musst es nur noch merken.